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Ramholzwirtschaft in Rheinbreitbach


Ramholzwirtschaft in Rheinbreitbach

Niederwald und Ramholzwirtschaft am Koppel

Rheinbreitbach als einst großer Weinbauort verfügte neben den Rebflächen natürlich auch über eine Niederwaldwirtschaft zur Gewinnung von Ramholz sowie von Brennholz. Als Ramholz oder Ramen (von lat. ramus = Ast) bezeichnete man Pfähle zum Anbinden der Rebstöcke in den Weinbergen. Früher war die Einzelpfahlerziehung von Reben weit verbreitet. Heute werden die Niederwälder für die Ramholz-Wirtschaft nicht mehr benötigt. Der Wein wird an langen Drahtrahmen angebunden. Das erleichtert die Rebpflege, die Lese des Weins und erhöht den Ertrag.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich

Niederwälder sind in Mitteleuropa heute nur noch selten anzutreffen. Reste eines Niederwaldes sind auf der nördlichen Seite des Rheinbreitbacher Hausberges Koppel im Lötzelingstal unterhalb des Koppelplateaus zu sehen, etwa oberhalb des Fahrweges zwischen Deck-und-Schmal-Platz in der Straße Vonsbach und dem Heiligenhäuschen an der Treppe hoch zum Koppel.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich


Auf die frühere Bedeutung des Ramholzes für den Winzer verweist in Rheinbreitbach der Rheinbreitbacher Beichtspiegel im Chor der alten Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Der Diebstahl von Ramholz war wohl deswegen nicht selten, wie die Inschrift belegt: 

Die Ramen und Heide stehle ich bei der Nacht. Käme es heraus würde ich nicht lachen.



Beichtspiegel von 1625
Bild: Pfarrbrief der kath. Pfarrgemeinde St. Maria Magdalena, Rheinbreitbach, Ostern 2013, 16


Einige regenerationsfähigen Baumarten, wie die Hain- und Rotbuchen, Eichen oder Weiden,  überleben es, wenn man den Stamm kurz über dem Boden absägt. Sie treiben dann seitlich an der Schnittkante des Baumstumpfes (Stocks) neu aus und bilden sogenannte Seitensprossen. Diese neuen Triebe wachsen dann zu langen gerade Stämmen gen Himmel. Die Bäume im Niederwald verjüngen sich durch diese Stockausschläge. Als Ergebnis sind die Bäume deutlich kleiner und dünner als die Bäume im normalen Wirtschaftswald. Oft stehen die Stämme in Gruppen zusammen. Der Niederwald ist daher keine natürliche Entwicklung, sondern hat seine Struktur durch menschliche Bewirtschaftung erhalten.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich


Für die Ramholzgewinnung wurden die ausgetriebenen Äste stets dann abgeschlagen, sobald sie einen Durchmesser von 5 bis 7 cm erreicht hatten und damit als Rebpfähle brauchbar waren. Hierfür verwendete man eine Art Haumesser, die Hippe. Durch den ständig frischen Austrieb an den Schadstellen bildeten die Bäume massive Stammköpfe. Daher auch der Name "Kopfbuchen".



Abhauen von Ramholz mit der Hippe
Quelle: Forstamt Siegburg, Informationstafel zur Ramholzwirtschaft 



Der Niederwald wurde vielfach auch von dem Weidevieh genutzt. Sofern die Weidefläche umzäumt wurde, sprach man von der Koppel. Durch Verbiss der Tiere an den frischen Trieben der Bäume entstand erheblicher Schaden. Deswegen wurden die Schnittstellen verschiedentlich bis in eine Höhe von rund zwei Meter verlegt. So kam das Vieh nicht mehr an die Triebe dran.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich


Die Ramholzgewinnung war im Siebengebirge und im unteren Mittelrheingebiet eine weit verbreitete Wirtschaftsform, so auch im Kottenforst (Gespensterwald), im Ennert und auf dem Bonner Venusberg. Im Siebengebirge wurde diese Bewirtschaftungsform des Waldes erst Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegeben. Die Erinnerung an die Niederwaldwirtschaft ist uns in Ortsnamen wie Ramersdorf, Niederholtorf und Ramersbach (Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler) erhalten geblieben.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich




Der Niederwald als Brennholzwirtschaft

Die historische Niederwaldwirtschaft ist auch die Brennholzwirtschaft der armen Leute. Sie hat eine Jahrhunderte alte Tradition. Die einfachen Dorfbewohner hatten lange Zeit nicht die Möglichkeit, vollständige alte Bäume aus dem Wald zu holen. Daher nutzten sie das Holz, an das sie einfach kommen konnten. Zunächst wurden abgestorbene Äste gesammelt. Gab es kein Totholz in der Umgebung mehr, wurden Bäume in der Nähe der Dörfer genutzt/abgehauen, daher auch der Name Hauwald. Meistens verwendete man Jungbäume und Äste mit weniger als 15 cm Durchmesser.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich


Zur Holzgewinnung im Rahmen der Niederwaldwirtschaft schnitt man die Bäume alle 15-20 Jahre zurück.  Bei diesem Nutzungsrhythmus blieb die Wurzel über viele Jahrzehnte hinweg lebensfähig. Waren die Seitentriebe dick genug, wurden sie kurz über dem Boden abgeschnitten - also kurz über dem Wurzelstock: Der Baum wurde auf den Stock gesetzt.


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich


Stabilisierung von Steilhängen

Stellen an Böschungen und Steilhängen groß gewordene Bäume eine Gefahr durch Umstürzen dar, setzt man sie auch heute noch gerne auf den Stock. Gerade an Steilhängen wie am Weg zur Breiten Heide und zum Koppelplateau im Lötzelingstal in Rheinbreitbach stabilisieren die Wurzeln der Bäume durch diese traditionelle Methode weiterhin den Hang. In den Folgejahren treiben die Bäume wieder neu aus. 

„Im ersten Moment ist das optisch natürlich nicht schön anzusehen. Dafür haben wir in Sachen Verkehrssicherheit an dieser Stelle für die nächsten 40 bis 50 Jahre Ruhe“ (Revierförster Hans-Werner Neitzert in der Rheinzeitung am 30.10.2017)


Am Rheinbreitbacher Koppel
Foto: Dankward Heinrich